Dienstag, 5. Januar 2016

Mein Vater und sein Essen

Zunächst muss ich mich ein bisschen für das pubertäre Geschimpfe über meinen Vater rechtfertigen glaube ich. Ich weiß, dass es ein Zeichen von Wohlmeinen ist, dass mein Vater beim Essen so interferiert, weil Essen für ihn selbst einen enorm hohen Stellenwert hat. Dieses Eingreifen verkennt aber zwei Dinge: zum einen das andere Personen immer noch selbst am besten wissen, ob sie gerade etwas essen möchten oder nicht und zum anderen, dass mein Vater selbst etwas krude Vorstellungen über gute Ernährung hat.
Ich glaube mein Vater und sein Essverhalten ist auf jeden Fall auch mindestens einen eigenen Post wert. 

Mein Vater war ein dünner Junge und später im Studium ein pummeliger Erwachsener. Gegen Endes seiner Studienzeit hat er begonnen Bodybuilding zu betreiben und hat innerhalb weniger Monate durch strenge Diät und sehr viel Sport seinen Körper sehr drastisch verändert. Danach war er schlank und sehr muskulös, hat das aber soweit ich weiß nicht lange aufrecht erhalten können. Aus meiner Kindheit erinnere ich mich an meinen Vater als dicklich-muskulös.
Vor vielleicht 10 Jahren (?) hat er aufgehört zu rauchen und dabei bis deutlich über die Grenze zur Adipositas hinaus zugenommen. Zu der Zeit hatte er starken Bluthochdruck und leichten Diabetes Typ II, außerdem einen leichten Schlaganfall. Gemeinsam mit meiner Mutter hat er dann begonnen leichten Sport zu treiben und wieder einige Kilo verloren. 

Mein Vater hat ein sehr intensives Verhältnis zum Essen. Er mag zum Beispiel gerne Fleisch. Aber er mag es nicht einfach, sondern propagiert das Fleischessen als eine Art Lebensphilosophie. Bei uns zu Hause darf es keine Mahlzeiten ohne Fleisch geben, weil alles außer Fleisch kein (Zitat) „richtiges Essen“ ist. Zum einen weigert er sich einfach fleischfreie Mahlzeiten zu essen zum anderen wird das bei ihm durch einen gewissen missionarischen Eifer ergänzt.
Des Weiteren hat er einen gewissen Hang zu halbesoterischen Nahrungsergänzungsmitteln mit denen er sich phasenweise sehr intensiv beschäftigt wie zum Beispiel Gelee Royal oder Entschlackung durch Apfelessig.
Und er ist immer sehr bestrebt seine Meinung zum Essen anderer kundzutun häufig in aggressiver Art und Weise.
Eine kleine Anekdote: Ich war beim Metzger zum Abendbrot einkaufen, eine andere Kundin klagte der Verkäuferin ihr Leid, dass die 14-jährige Tochter übertrieben fettarm essen und sogar bei Lachsschinken den letzten Rest Fett abpulen würde. Ich hatte diese kleine Episode aus irgendwelchen Gründen beim gemeinsamen Abendessen erzählt woraufhin mein Vater plötzlich schreit: „Diese verwöhnten Fotzen sollte man hungern lassen bis sie ihre eigene Scheiße fressen!“ (sic!)
Da fällt einem nichts mehr ein. Beispiele dieser Art lassen sich mehr finden, aber ich glaube das ist ausreichend illustrativ. 

Außerdem macht er sich auf bösartige Art und Weise über den Bruder meiner Mutter lustig, der mit ähnlichen Gewichtsproblemen zu kämpfen hat wie er.
Und natürlich das dauernde kommentieren und missionieren. Man kann wenn mein Vater dabei ist kaum etwas essen ohne dass es das Falsche, zur falschen Zeit, zu viel oder zu wenig ist seiner Meinung nach mit der er ja auch nicht hinter dem Berg hält.
Vor einigen Jahren hat mein Vater angefangen gelegentlich zu kochen was sozial sehr kompliziert war. So kompliziert, dass meine Mutter sein Getue beim Kochen auf ihre Liste „Dinge wegen denen ich mich von dir scheiden lasse, wenn du sie nicht änderst“ gesetzt hat, die mein Vater vor ein paar Jahren vorgelegt bekommen hat. Details klammer ich hier mal aus. 

Als Jugendliche war ich unzufrieden mit meinem Gewicht, hätte mich aber im Leben nicht getraut offiziell eine Diät zu machen, weil mein Vater dagegen gewisse Aggressionen hatte, s. die Geschichte mit dem Lachsschinken. Dafür habe ich dann heimlich tageweise nichts gegessen, wenn es sich gerade gut einrichten ließ, ich z.B. lange in der Schule war.
Bei uns in der Familie wurde (und wird) immer erwartet, dass man zu den Mahlzeiten viel isst. Ich habe im Laufe der Jahre einen Überfressmodus entwickelt, extra für die Essen mit meinen Eltern, der nach folgendem Muster abläuft: Ekel – Übelkeit – Bauchschmerzen. Und wenn ich über den Bauchschmerzpunkt hinaus esse, kann ich auf einmal sehr, sehr viel essen. 

Inzwischen ist das alles etwas entspannter geworden, auch weil ich mich besser abgrenzen kann, aber ein bisschen lästig können bestimmte Muster immer noch sein und jeden Tag würde ich auch wirklich nicht bei meinen Eltern essen wollen.

Soweit die kleine - große Ergänzung zu meinem vorherigen Post.

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