Mittwoch, 9. März 2016

Was ist normales Essverhalten?

In einem anderen Blog habe ich die Unterscheidung in „Essis“ und „Normalos“ (im Folgenden verzichte ich auf die Anführungszeichen) gefunden (https://hungrigesleben.wordpress.com). Es war ein Blog einer Magersüchtigen, die diese Unterscheidung traf. „Normalos“ könnten nicht verstehen wie sich Essis fühlen. Den Kommentaren nach haben sich auf diesem Blog auch einige Normalos herumgetrieben, die sehr gut nachfühlen konnten, was die Autorin beschrieben hat.
Im Rahmen dessen habe ich mich gefragt was normales Essverhalten eigentlich ausmacht. Oder vielleicht sollte man sagen ideales Essverhalten. Normal hat ja einen starken Bezug auf die Mehrheit, wenn mehr Leute komisch sind verschiebt sich einfach die Definition dessen was normal ist. Also sagen wir ideales Essverhalten.
Wenn ich mich einordnen muss in diesen Dualismus von Essi und Normalo würde ich sagen eindeutig Normalo, aber als idealer Esser würde ich mich mit Sicherheit auch nicht bezeichnen. Dafür habe ich eindeutig zu viele und zu große Gewichtsschwankungen (mein ganzes jugendliches und erwachsenes Leben hindurch, mit Extremwerten von ~ 30 kg Differenz. Ich glaube mein Rekord wie lange ich mal ein Gewicht halten konnte liegt bei einem halben Jahr. Und das war auch eher aus Versehen, ich glaube ich wollte eigentlich abnehmen, habe aber viel Kraftsport gemacht.)

Ideales Essverhalten

Ideales Essverhalten versorgt den Körper kontinuierlich mit allem was gebraucht wird, dabei besteht (niedriges) Normalgewicht. Gedanken ans Essen nehmen keinen größeren Raum ein, Essen ist dabei positiv konnotiert. Das Essen wird primär von Hunger und Sättigung bestimmt, nicht von Kalorienplänen oder „Jetzt-ist-auch-egal-Gefühlen“ oder stressinduziertem Essen. (Zum Thema ideales Essverhalten s.a. https://de.wikipedia.org/wiki/Self-selection_of_diet_by_young_children)
 
Ich weiß nicht wie viele „ideale Esser“ ich kenne. Ich glaube es sind nicht so viele, vielleicht auch gar keine. Nur bei wenigen Menschen hat man tatsächlich einen guten Überblick was sie tatsächlich essen und in was für Situationen sich das vielleicht ändert. Und was die Leute sich dabei denken sieht man eh keinem an. Aber die Leute bei denen ich das halbwegs beurteilen kann essen emotionsgesteuert, überessen sich, vergessen zu essen, ernähren sich extrem einseitig, essen gezügelt, um nicht dick zu werden, bingen, beschäftigen sich exzessiv mit Essen, …
Das bewegt sich durchaus im subklinischen Bereich, aber ideal ist das mit Sicherheit nicht, teilweise meinem Empfinden nach auch nicht normal.

Abnehmen ist ein extremer Prozess.
Auch der Normalo der abnimmt denkt viel an Essen, zügelt sein Essverhalten, strebt ev. ein Gewicht an, dass unter dem medizinisch idealen liegt und ganz wichtig: hat wahrscheinlich relevante emotionale Faktoren, die ihn zum Zunhemen und schließlich zum Abnehmen gebracht haben. Wenn man abnehmen möchte muss man zu wenig essen, was der Körper gerne mit Kreislaufschwäche, Kälteempfinden, ev. Verdauungsproblemen etc. beantwortet. Da kann die Gewichstverringerung an sich so gesund sein wie sie möchte. Neben den körperlichen Aspekten kann es psychisch eine intensive Erfahrung sein: Hungereuphorie, Frustration, obsessive Beschäftigung mit dem Essen, Angst vor Gewichtszunahme, Fressanfälle.

Essgestört sind die Leute, die die Diagnosekriterien für eine der drei großen Essstörungen erfüllen: Magersüchtige, Bulimiker, Binge Eater.
Alle die diese Diagnosekritierien nicht erfüllen sind „die anderen“.

So platt und einfach kann man diese Trennlinie ziehen.

Aber diese „anderen“ sind mit Sicherheit keine „idealen“ und unbeschwerten Esser und normales Essverhalten gibt es vielleicht gar nicht. Vielleicht ist Essen auch einfach viel zu essentiell, um damit unbeschwert umgehen zu können, auch wenn man in einer Überflussgesellschaft lebt.

Wir bewegen uns auf jeden Fall in einem Spektrum verschiedenster Macken unterschiedlichster Intensität und in diesem Spektrum ist „erfüllt die Kriterien für Essstörung XY“ nur ein möglicher Punkt in einer riesigen Spannweite. Dieser Dualismus Essgestörte und normale, unbeschwerte Esser lässt sich auf jeden Fall nicht aufrecht erhalten.


1 Kommentar:

  1. Naja. Als ich angefangen habe abzunehmen, habe ich mir kaum Gedanken darum gemacht und mich großartig gefühlt. Jetzt ist das ganze einfach nur noch belastend und löst einen riesigen Stress in meinem Kopf aus. Diesen extremen Übergang in die Gefühlsebene können nicht-Essgestörte nicht verstehen, da bin ich mir sicher. Als ich schon einen Magersuchts-BMI hatte und auch schon Gedanken wie "wie viel hab ich schon, wie viel darf ich noch", habe ich Dokus über Magersüchtige gesehen und nicht verstanden, wie man sein Leben deshalb nicht mehr auf die Reihe bekommen kann. Wenn ich jetzt diese Dokus schaue, dann weiß ich es genau.
    Noch wichtiger ist aber, dass mir irgendwann aufgefallen ist, dass vor dem Essen nicht mehr nach dem Essen ist. Habe mich damals gewundert, warum meine Stimmung nach der Waffel mit Sahne so schlecht war. Und ich weiß noch, dass das Essen sonst nicht so einen Eifluss auf meine Stimmung hatte. Und da war ich schon untergewichtig. DAS ist der Unterschied zwischen Essgestörten und "Normalos", meiner Meinung nach. "Normalos" können sich ein wenig in Essgestörte einfühlen, aber sie NIEMALS verstehen. Weil Verstehen beruht IMMER auf eigener Erfahrung. Man knüpft an dem an, was man selbst schonmal gefühlt hat, aber alles andere sind nur theoretische Gedanken.
    Liebe Grüße <3

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